Unsere Mitglieder stellen sich vor: Alife Foods

Michelle König

Dr. Bernd Böck, Co-Gründer von Alife Foods

Das Foodtech-Startup Alife Foods wurde 2019 mit dem Ziel gegründet, Cultivated Meat auch auf deutsche Teller zu bringen. Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, hat Alife im vergangenen Jahr in Kooperation mit der Fuchs Group und dem US-amerikanischen Unternehmen LabFarmFoods ein Cultivated Schnitzel entwickelt, das dem Original in nichts nachsteht. Co-Gründer Dr. Bernd Böck erzählte uns im BALPro-Interview, was das Produkt besonders macht und welche Unterstützung sich die Branche von der Politik in Zukunft erhofft.

Wie setzt sich Alife Foods für die Förderung Alternativer Proteinquellen ein?
Alife Foods nimmt innerhalb der Supply Chain eine bisher einzigartige Rolle ein, denn wir sind kein Biotechunternehmen, das Cultivated Meat als Rohware herstellt. Vielmehr verfolgen wir einen B2C-Ansatz und stellen aus Cultivated Meat Produkte für den Endverbraucher her. Mit unseren lebensmitteltechnologischen Innovationen möchten wir so zukünftig zur Ernährungssicherheit und zur nachhaltigen Transformation der Landwirtschaft beitragen. Hierbei sollen im Rahmen eines inklusiven Ansatzes Landwirte mit an den Tisch geholt werden, indem sie z.B. die pflanzlichen Rohstoffe, aus denen die Nährmedien bestehen, anbauen. Unser Anliegen ist es, dafür zu sorgen, dass Menschen in Zukunft tierleidfreies, gesundes und umweltschonendes Fleisch essen können.

Warum ist gerade die Herstellung von Cultivated Meat hierfür vielversprechend?
Aktuelle Studien legen nahe, dass — obwohl pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Fisch immer besser werden und in ihrer Beliebtheit kontinuierlich zunehmen — nicht mehr als 15 bis 20 Prozent der Deutschen bereit sind, tierische Produkte durch ihren Konsum zu substituieren. Als Grund hierfür wird häufig der Geschmack genannt, wobei berücksichtigt werden muss, dass diese Perspektive sowohl eine organoleptische, also sensorisch messbare, als auch eine psychologische Komponente enthält. So gibt es selbst bei pflanzlichen Alternativen, die kaum vom Original zu unterscheiden sind, Menschen, die diese ablehnen, weil sie sie nicht als „echtes Fleisch“ wahrnehmen. Mit Cultivated Meat ist hierfür eine Lösung gefunden, denn das Produkt unterscheidet sich lediglich im Herstellungsprozess von Fleisch. Gleichzeitig bietet es den Verbrauchern die Möglichkeit, aktiv zum Tierwohl und Klimaschutz beizutragen sowie die eigene Gesundheit zu fördern.

Welche aktuellen Hürden müssen für eine positive Konsumentenwahrnehmung von Cultivated Meat überwunden werden?
Eine der größten Hürden ist, dass Menschen mit dem Wort „Cultivated Meat“ nach wie vor künstliches, im Labor gezüchtetes, Fleisch assoziieren, und diesen Gedanken häufig nicht als sehr ansprechend empfinden. Allerdings basiert auch die konventionelle Fleischerzeugung auf künstlichen Züchtungen. Zudem ist die Herstellung von Cultivated Meat in großen Tanks bzw. Kesseln geplant und diesbezüglich mit der Herstellung von Bier vergleichbar. Dies macht Prozesse einerseits sehr gut skalierbar und ermöglicht es andererseits, riesige Mengen zu produzieren. Und genau diese Vorteile gilt es, zu kommunizieren, um die Berührungsängste der Verbraucher abzubauen.

Wie ist der aktuelle Entwicklungsstand der Alife Foods-Produkte?
Im vergangenen Jahr haben wir einen Schnitzel-Prototypen entwickelt, der besser bewertet wurde als alle pflanzlichen Produkte, die derzeit auf dem deutschen Markt erhältlich sind. Dies wurde in mehreren Sensorik-Panels überprüft, die bestätigten, dass unsere Innovation in Bezug auf Textur und Geschmack mit einem Schweineschnitzel vergleichbar ist. Unser aktueller Plan ist es daher, mit unserem ersten Produkt 2025 bis 2027 auf den Markt zu gehen. Hierbei haben wir uns für die Herstellung von Cultivated Schnitzel entschieden, weil es ein typisch deutsches Produkt ist, dass sich innerhalb der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreut.

In welche Richtung entwickelt sich der deutsche Markt für Cultivated Foods im internationalen Vergleich?
Aktuell gibt es auf dem deutschen Markt nur wenige auf die Herstellung bzw. Verarbeitung von Cultivated Meat spezialisierte Unternehmen. Dies belegt, dass wir im internationalen Vergleich — z.B. mit den Niederlanden, Israel, den USA sowie dem asiatischen Raum — deutlich hinterherhinken. So wurde in Singapur Cultivated Meat schon Ende 2020 zugelassen, während die Regulatorik in der westlichen Welt, speziell innerhalb der EU, die Prozesse signifikant zeitaufwendiger, teurer und bürokratischer gestaltet. Dies stellt sich aktuell als einer der Flaschenhälse der deutschen Industrie dar, denn insbesondere Startups verfügen häufig nicht über die finanziellen Mittel, die Verfahren ggf. mehrfach zu durchlaufen. Deshalb warten viele Akteure auf den optimalen Zeitpunkt für die Einreichung ihres Zulassungsantrages, was die Industrie selbstverständlich ein Stück weit lähmt. 

Was könnte die Politik dafür tun, dass sich dies ändert?
Man sollte das primäre Ziel der europäischen Novel Food Verordnung — die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit für Verbraucher — mit dem politischen Ziel der weltweiten Ernährungssicherheit in Einklang bringen. Aktuell sind dies konträr laufende Interessen, weil nicht nur pflanzliche, sondern auch zellbasierte Alternativen künftig nötig sein werden, um den Proteinbedarf einer immer weiter wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Novel Food Verordnung in ihrer derzeitigen Fassung zielführend ist, denn am Ende des Tages kann weder den europäischen Behörden noch der Politik daran gelegen sein, dass Lebensmittel in naher Zukunft importiert werden müssen. Es sollte also im ureigenen Interesse der EU liegen, die Regulatorik auf das notwendige Maß zu beschränken, ohne neuen Innovationen den Marktzugang durch langwierige und kostenintensive Zulassungsverfahren zu erschweren.

Wie sollte Ihrer Meinung nach die Ernährung der Zukunft aussehen?
Wir hoffen auf die ersten Markteintritte von Cultivated Meat innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre. Auf diese Weise wird es möglich sein, bis 2040 einen Großteil der Fleischversorgung über pflanzliche und zellbasierte Alternativprodukte sicherzustellen.

Warum sind Sie BALPro-Mitglied geworden?
BALPro hat sich zum Ziel gesetzt, die weißen Flecken, die es im deutschsprachigen Raum in Bezug auf den Alternativen Proteinsektor gibt, mit Inhalten zu füllen. Insbesondere die Lobby- und Community-Arbeit schätzen wir hierbei sehr. Außerdem hoffen wir darauf, dass durch die öffentlichkeitswirksame Arbeit von BALPro politische Entscheidungen bewirkt werden, die den deutschen Markt für Cultivated Meat weiter voranbringen. 

© 2019 Verband für Alternative Proteinquellen e. V.